Ja, Hallo erstmal.
Na, kennt ihr uns noch? Ich könnte es niemandem verübeln, wenn es nicht so ist. Erst erzählt die Muddi im Februar noch groß, was sich alles getan hat in ihrem Autismusfamilienleben
…und dann kam Corona
…und es war schon wieder, mehr oder minder Funktstille, (auf Facebook, Instagram und Twitter, gibt es immer mal wieder kleine updates von uns). Ja… auch uns hat Corona unverhofft aus der Bahn geworfen.
Ehrlich. Im Februar, war dieses Coronavirus in meine Kopf quasi nicht existent. Klar, man hörte immer mal wieder davon in den Medien und wie es China im Griff hatte, aber hier? Nee, das ist soweit weg, und wenn, ist es auch nicht schlimmer als die Influenza. Joar… ich war auch so eine. Und gefühlt zwei Tage später, streite ich mich mit Fünni über’s Homeschooling und nähe Gesichtsmasken im Akkord. Plötzlich war die sonst gechillte und optimistische Muddi, nicht mehr nur Hausfrau und Pflegekraft für ihre Familie, sondern auch schulformübergreifende Lehrerin, Streitschlichterin, Psychologin, Heilpädagogin, Physiotherapeutin, ITlerin (ja, ICH habe einen Sonntag damit verbracht, Notebooks für Homeofficler aus Männes Büro einzurichten- hätte ich auch niemals von mir gedacht 😉 )Bäckerin, etc. pp.
Wenn ich jetzt hier sitze und über die letzten 13 Wochen nachdenke, fühlen sich diese soooo unwirklich an. Es hat sich in kürzester Zeit soviel verändert und Dinge die bis dato selbstverständlich waren, waren plötzlich vollkommen anders bis unmöglich.
Shutdown
Grenzschließungen
#Stayhome
Schulschließungen
Homeschooling
Prügeleien um Klopapier und Hefe
Maskenfplicht
Kontaktsperren
Besuchs- generelles Betretsverbot in Pflegeheimen und Krankenhäusern
Geburten ohne werdende Väter
etc
All diese Dinge, prasselten so schnell auf uns ein, Ich, für meinen Teil, kam kaum noch hinterher.
Der Weg aus der Krise? Schulöffnung in NRW für ALLE?
Nun, erleben wir hier in NRW die zweite große Welle an Lockerungen, und ich schwanke immer noch stets zwischen der Vorfreude auf die Rückkehr zum normalen und Panik vor dem Tempo, dass die Politik vorlegt.
Aber mal ehrlich, die meiste Zeit, hingen, und hängen wir immer noch in der Luft. Das normalste was wir bisher erleben, ist dass Männe nur aus gesundheitlichen Gründen eine Woche im Homeoffice verbracht hat. Er hatte ansonsten den Luxus, ganz normal ins Büro fahren zu können.
Ja, ich rede dabei von Luxus. Denn ich war irgendwann an dem Punkt, dass ich mich nach sozialen Kontakten mit Menschen über 18 Jahren gesehnt habe. Jeder weiß, ich liebe meine Jungs. Aber wenn man 24/7 nur noch “Mama” hört und keine Möglichkeit hat, sich mal für eine Stunde mit Freundinnen auf einen Kaffee oder Ähnliches zu treffen… das nargt doch ganz langsam an der Psyche. Ich brauche einfach auch Momente für mich. Wo ich nicht Mamaaaaa, oder Muddi bin, sondern einfach Ich, Bea. Momente in denen ich einfach die Ruhe genieße und mich um den Haushalt kümmere. Aber diese Momente gab es nicht mehr. Zum einen, wegen der Kontaktsperre, zum anderen wegen der Schulschließung.
Nun sind, bzw. werden die Schulen wieder geöffnet.
Wie stehe ich dazu?
Ganz einfach: sehr Zwiegespältig!
Auf der einen Seite, habe ich mich natürlich gefreut. Endlich wieder stundenweise Ruhe um Haus zu haben. Zurück zu den gewohnten, und für Autisten unglaublich wichtigen Strukturen. Zurück zu sozialen Kontakten mit Freunden.
Aber die Umsetzung, macht mir Angst. Mir, als Mutter. Als Autismusmama, versetzt sie mich in blanke Panik. Erst vorgestern, saß ich Abends im Bett und suchte den imaginären Panicbutton auf Twitter. Fünnis Schule soll nun zurück in den Regelbetrieb gehen. Fünnis Förderschule für geistige Entwicklung. Zwei Wochen vor beginn der Sommerferien.
Liebe NRW Politiker dort draussen, nur für den Fall, dass irgendwer über diesen Beitrag stolpert, aber: “Brennt ihr?”
Ich habe schon häufig in den letzten 12 Wochen, von #FamilienmitBehinderung, wie uns, als “die vergessenen Familien” gelesen. Aber nie, passte dieser Begriff für uns so gut, wie jetzt. 12 Wochen, waren wir von jetzt auf gleich, auf uns allein gestellt. Sämtliche, über Jahre angeeignete Strukturen und Routinen brachen, von jetzt auf gleich weg. Sogar die Schlafenszeiten haben sich bei uns verschoben. Fünni steht vor 9 Uhr morgens, gar nicht mehr auf. Wozu auch?
Letzte Woche Montag hatte er nach 12 Wochen Pause, seinen ersten Schultag. Dieser dauerte 5 Stunden, von 8-13 Uhr. Er war danach total müde. Nachmittags bei der Therapie, fiel das sogar seiner Heilpädagogin auf. Aber, zu dem Zeitpunkt, hieß es ja noch, er habe nur Montags Präsenzunterricht (gab es dieses Wort, eigentlich schon vor Corona?) Tja, zu früh gefreut. Dienstagabends um 21 Uhr bekam ich eine Email, seiner Klassenlehrerin. Ab kommenden Montag, wird ein verkürzter Regelbetrieb auf genommen. Mit besonderen Hygienemaßnahmen… (ich erinnere nochmal, Schule für geistige Entwicklung, also geistig behinderte Kinder…) Lasst euch die Wörter “besondere Hygienemaßnahmen, Abstand, Gesichtsmasken und Förderschule für geistige Entwicklung” bitte auf der Zunge zergehen und versucht sie dann miteinander in Einklang zu bringen.
Und hat’s geklappt?
Falls ja, packt jetzt nochmal den Autismusaspekt mit den Sturkturen und die anstehenden Sommerferien obendrauf.
Also, um es mit Fünnis Worten zu beschreiben: GANZ GROSSES KINO…
Aber es kommt noch besser. Ich kann noch einen obendrauf setzen. Das ganze Betrifft nur Schüler, der GRUNDSCHULKLASSEN.
Hauptschule, Realschule, Gesamtschule, Gymnasium… arbeiten weiterhin mit eingeschränktem Unterricht ( – bei uns und unseren Bekannten, mit denen ich gesprochen habe, jedenfalls).
Johnny (aktuell noch 7. Klasse) wird lediglich Donnerstags für 4!!! Stunden beschult. Für den Rest der Woche bekommt er Aufgaben für’s Homeschooling in Eigenleistung. Er hatte einmal, eine Mathestunde via Videokonferenz, weil Donnerstags Feiertag ist. Aber, das war’s.
Ich habe Fragen…
Kein dummer Spruch oder so, nein, ich habe wirklich Fragen:
“Sind die jüngeren Kinder, also KiTa und Grundschulalter nun plötzlich weniger Coronagefährdet als Teenager?”
Immerhin, sollten wir doch gerade diese Altersgruppe, zu Beginn von unseren Omas und Opas, als potenzielle Virusüberträger, fernhalten.
“Geht es, bei dieser Entscheidung wirklich um die Kinder? Oder gibt es dabei vielleicht einen wirtschaftlichen Aspekt, weil die Eltern, auf diesem Wege zumindest Halbtags wieder arbeiten können?”
Nein, dies ist nicht als Rant gegen WorkingMoms gemeint – nur um dem Vorwegzugreifen. Ich versuche grade wirklich nur die Hintergründe dieser Entscheidungen zu verstehen! Ich finde für mich einfach keine sinnvolle Logik dahinter, Kinder zwischen 2 und 10 Jahren Teilzeit betreuen / beschulen zu lassen, während die größeren, die in den letzten Jahren vor dem Berufsleben stehen.
“Wurde auch nur einmal, über die Kinder nachgedacht, die eben nicht, der Norm entsprechen?”
Das betrifft ja, nicht nur autistische Kinder, wie uns, auch Hochsensible oder Gefühlsstarke Kinder, werden auf diesem Wege emotional hin- und hergeworfen. Während hingegen, die größeren Kinder, der weiterführenden Schulen, sowas emotional ehr verkraften könnten, werden ausgerechnet, die Emotional noch nicht gefestigten Kinder als Versuchskaninchen vorausgeschickt?
Ja, natürlich finde ich es einerseits gut, wenn die Schulen wieder öffnen und wir zurück in die bekannte Normalität kommen. Aber von dieser sind wir noch sehr weit entfernt. Und ich finde es falsch, diese Art der Normalität nun in 2 Wochen, durchzupressen, damit danach 6 Wochen Sommerferien sind. Klar, freuen sich die Kinder darauf ihre Freunde und Bezugspersonen wieder zu sehen. Das ist bei Fünni nicht anders. Aber sein Kopf ähnelt nach solch einem Tag einem Milchshake.
Aber bei ihm kommt noch ein Päckchen obendrauf. Er wird nach den Sommerferien, nämlich nicht zurück an seine Schule gehen. Wir haben trotz Corona, im Hintergrund, mit dem Schulamt, den Wechsel des Förderschwerpunktes und somit der Förderschule veranlasst. Es stellte sich, nach wenigen Tagen Homeschooling nähmlich raus: dieses Kind kann lesen. Und das richtig gut. Ist nur leider bis dahin niemandem aufgefallen.
Seine Lehrer, brachten schon Ende letzten Jahres, das Thema Schulwechsel auf den Plan. Mit Corona, wurde dies jedoch ad Acta gelegt, und sollte verschoben werden. Nachdem wir aber im Homeschooling gesehen haben, was er schon alles kann, haben wir kurzerhand entschieden, die Anträge doch, auszufüllen und zum Amt zu schicken. Gar nicht so einfach, kann ich euch sagen… alles wurde X-Mal, via Email hin und hergeschickt, weil Teilweise Sachen, von den Eltern, teilweise von der Schule ausgefüllt werden müssen. Hinzu kam, Fünnis Verlaufskontrolle inkl. Intelligenztest, wäre im März fällig gewesen… naja, konnte dank Corona auch nicht gemacht werden. Wir warten aktuell immernoch auf einen Termin im SPZ dafür, um diese nachzureichen.
Aber, trotz aller Coronakomplikationen. Haben wir es geschafft! Fünni wird im kommenden Schuljahr die gleiche, spezielle Autismusklasse besuchen wie Johnny in seiner Grundschulzeit. Johnnys ehemaliger Klassenlehrer hatte letzten Montag ein Gespräch mit uns, Fünni und seiner Noch-Klassenlehrerin und es wurde entschieden, dass er nach den Ferien, erstmal für 6 Monate auf Probe in die Autismusklasse geht und dort Individual beschult wird. Individual heißt in diesem Fall, das er nicht direkt den Stoff der 3. Klasse, in die er ja Altersmäßig nun gehen würde, bekommt, sondern erstmal geguckt wird, welches Lernniveau, er hat und wieviel er aufholen kann. So, wird er dann seinem eigenen Stand, entsprechend gefördert werden um dann in den “Grundschullehrplan” integriert zu werden.
Zurück zu Corona und der
Öffnung des “Regelbetriebs” der Förderschulen
In unserem Fall, ist es also nicht nur so, dass Fünni, nun nach 13 Wochen Pause, zurück in den täglichen Unterricht, bis zu den Sommerferien in zwei Wochen soll, er wird nach diesen Ferien also auch nicht zurück in die bereits bekannte Schule gehen.
Wenn wir das alles, jetzt einfach mal grob zusammenfassen, reden wir also davon:
Bis März, hatten wir einen geregelten strukturierten Schulalltag.
Von diesem ist nach 13 Wochen, NIX mehr übrig.
Nun, werden die Kids für 2 Wochen zurück in diese Strukturen gepresst. Ja, gespresst!
Die in den 6 Wochen Ferien – eventuell mit Urlaubsfeeling (fahrt ihr in Urlaub? Wir wissen auch 2 Wochen vor Reiseantritt grade noch nicht ob wir unseren gebuchten Türkeiurlaub machen können oder nicht . Aber das ist ein anderes Thema, zurück zur Schule.) wieder komplett verloren gehen.
Damit die Kinder nach den Ferien dann in einen Schulalltag gehen, von dem noch niemand, aktuell weiß, wie er ausschauen wird.
Wenn ich mir das, nun vor Augen halte, überkommt mich der Drang, mir die Haare blau zu färben. Geht’s noch jemandem so?
Mein Rat, an alle “Panicbuttonsuchenden” Familien in unserer Situation, sucht das Gespräch mit euren Lehrern oder notfalls Kinderärzten, wenn ihr das Gefühl habt, das euren Kids dieses Schul Ping Pong zu viel sein könnte. Erklärt ihnen, was eure Befürchtungen sind und findet gemeinsam individuelle Lösungen. Wir haben es es so geregelt dass Fünni kommenden Montag und Dienstag Probeweise in die Schule geht. Sollte ich Zuhause feststellen, das er damit überfordert ist. Wird er befreit. Und geht lediglich mit mir gemeinsam zu seiner Abschiedsfeier als Besucher in die Schule. Ganz ohne Attest oder ähnliches.
Sollte eure Schule / Lehrer, nicht das gleiche Verständnis aufbringen, geht zum Kinderarzt und lasst euch dort helfen.
Sollte euer Kind, jedoch kein Problem damit haben, und sich an der Rückkehr zur Schule erfreuen, umso besser. Genießt es und freut euch mit eurem Kind. Aber lasst euch nicht für zwei lausige Wochen (wie gesagt, ich rede allein von NRW) bekloppt machen. In diesen zwei Wochen, wird wohl kaum 13 Wochen Unterrichtsstoff nachgeholt werden können.
Also: stay cool!
Wir hängen aktuell, alle in der Luft, warum also nicht gemeinsam schaukeln?
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