Hallo meine Lieben,
heute überlasse ich meiner lieben Co-Redakteurin Fabienne Siegmund wieder dass Steuer 🙂
Während ich Ende letzten Jahres ein paar gesundheitliche Probleme hatte, und die Gard Sveen Lesung nicht besuchen konnte, ist sie mit Notizblock und Stift für mich eingesprungen und hat euch einen Beitrag zur Autorenlesung des norwegischen Krimiautors Gard Sveen verfasst. Ich wünsche euch viel Spaß mit ihrem Bericht.
Ein paar Fakten zu Gard Sveen und seiner Lesung vorab:
Am 27.11.2019 war der norwegische Krimi-Autor Gard Sveen im Namen der Buchhandlung Köhl im Geske Saal der Bernd-Alois-Zimmermann Musikschule in Liblar zu Gast.
„Wir verdanken diesen Abend der norwegischen Organisation Norla, die im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2019 (Gastland war Norwegen), Reisen für norwegische Autoren und Autorinnen nach Deutschland organisierte…“, erklärte Buchhändler Jörg Neuburg zur Begrüßung. So kam es, dass Gard Sveen für eine einzige Deutschland Lesung von Oslo nach Erftstadt reiste und nun gemeinsam mit dem Schauspieler Ingo Rehling und Ruth Bell Erner, die an diesem Abend die Übersetzung und Moderation übernehmen sollten, die Bühne betrat.
Gard Sveens Bücher “der letzte Pilger” & “Die stille Tochter” aus der Tommy Bergmann Reihe
Gard Sveen, geboren 1969 ist Staatswissenschafter und hat viele Jahre im norwegischen Verteidigungsministerium gearbeitet, ehe er sich dem Schreiben widmete. Der erste Band seiner Tommy Bergmann Reihe „Der letzte Pilger*“ (Den siste pilegrimen) wurde mit dem Rivertonpreis 2013 und dem Glass Key Award 2014 ausgezeichnet. Dies sind die beiden wichtigsten skandinavischen Krimipreise.
Auf dieser Lesung sollte er den vierten Roman der Tommy Bergmann-Reihe, „Die stille Tochter*“ (Bjørnen) vorstellen und las zunächst einen kleinen Auszug auf Norwegisch, ehe Ingo Rehling aus der deutschen Übersetzung las. Die beiden Vorleser gaben ihren Zuhörern einen spannenden Einblick in den Roman, der von einer in den 1980ern verschwundene DDR-Bürgerin und KGB Agentin und den Überresten einer Frauenleiche handelt, die 2016 in Norwegen gefunden werden.
Im anschließenden Gespräch wurde klar, dass Gard Sveen in seinen Romanen nicht nur wirkliche historische Begebenheiten mit der Fiktion eines Kriminalromans mischt, sondern auch seine persönlichen Erfahrungen eine wichtige Rolle spielen. So haben die Erzählungen eines Freundes seiner Mutter, dessen Schwester in der ehemaligen DDR lebte, den Ausschlag für „Die stille Tochter“ gegeben. Er erzählte von einer Anekdote, wie der Freund der Mutter immer mit mehreren Schichten Baumwollkleidung an der Friedrichsstraße die Grenze überquerte und die überzähligen Schichten auf der Toilette des sog. Tränenpalastes versteckte, damit sie später dort abgeholt werden konnten. Die perfekte Tarnung, da es in der DDR keine Baumwoll-, sondern nur Synthetikkleidung gab.
Sein erster Roman, „Der letzte Pilger“ greift den vermeintlichen Selbstmord eines norwegischen Widerstandskämpfers des zweiten Weltkriegs in Stockholm auf. Dies ist ein Thema, das in Norwegen immer noch eine gewisse Brisanz hat. Nach eigenen Aussagen hätte Gard Sveen dieses Buch kaum schreiben können, als er noch im Verteidigungsministerium tätig war und dem Erscheinen eines Sachbuchs, dass er zu diesem Fall geschrieben hat, sieht er mit gewisser Anspannung entgegen.
Gard Sveens Schreibprozess – wie ihn seine Kindheit, seine Tätigkeit im Verteidigungsministerium und natürliche Begebenheiten Norwegens beeinflussen
Aber auch ganz eigene Lebenserfahrungen finden Einlass in seine Bücher, so erzählt der sympathische Norweger von einer Kindheitserinnerung, wo er zur Zeit des kalten Krieges mit seinem besten Freund regelmäßig beobachten konnte, wie russische und norwegische Spione Mikrofilme an toten Briefkästen austauschten – kein Kunststück, wenn man in einem „Spionagehotspot“ aufwächst.
Auch seine dem Geheimhaltungsstatus unterliegenden Tätigkeiten für das norwegische Verteidigungsministerium kommen ihm natürlich immer wieder im Schreibprozess zu Gute. So erzählte Gard Sveen, dass er natürlich die Redewendungen und Kniffe kennt, mit denen Dinge unter den Teppich gekehrt oder heruntergespielt werden – und weiß, wie die Behörden oft international zusammenarbeiten und Recherche so auch ins Stocken kommen kann, wenn ein Land aller Wahrscheinlichkeit sagt: „Nein. Diese Akte gebt ihr nicht raus.“ – der Fragende bekommt aber nur „Wir können weder bestätigen noch verneinen, über diese Person eine Akte zu besitzen“ als Antwort erhält.
Dennoch sei es ihm wichtig, Krimis zu schreiben, in denen nicht nur brutal Blut fließt, sondern die auch noch ein wichtiges Ereignis vermitteln – immerhin gäbe es in Norwegen dank seiner Kollegen schon so viele Serienmörder, dass es ein Wunder sei, dass es noch Bewohner gäbe.
Ob ihn die kurzen Tage im Winter Norwegens beim Schreiben beeinflussen, fragte Ruth Bell Erner.
Natürlich, lautete die Antwort. Er würde im Winter sogar besser schreiben können, und selbstverständlich hat das auch Einfluss auf seine Charaktere. Als Skandinavier weiß man eben: Man hat ein paar kurze Wochen Sommer, und dann kommt der Winter. Lachend fügte er hinzu: Zu hell und zu warm flößt uns Furcht ein.
Und so verging der Abend mit Gard Sveen, der nach eigener Aussage keine Liebesromane schreibt, weil Liebe in der Fiktion noch komplizierter ist als im wirklichen Leben, wie im Flug.
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