Hallo meine Lieben,
heute habe ich euch nochmal eine Rezension mitgebracht. Wer den #Wartezimmerromantik folgt, wird auch schon wissen, welches Buch mich die letzten Male in die unterschiedlichen Wartezimmer begleitet hat. Es war Die Fliedertochter von Teresa Simon aus dem Blanvalet Verlag. Die Fliedertochter ist bereits das vierte Buch, dass die Autorin unter diesem Pseudonym veröffentlicht hat. Ihren Debütroman Die Frauen der Rosenvilla habe ich euch schon einmal hier vorgestellt.
Auch wenn das Cover von Die Fliedertochter sehr idyllisch und romantisch anmutet, so steckt doch eine sehr tiefgehende, dramatische, zum nachdenken anregende und etwas melancholische Geschichte mit ganz viel Wiener Charme zwischen den Buchdeckeln.
Die Fliedertochter von Teresa Simon
erschienen im Heyne Verlag* (Amazon Partnerlink)
Formate: Taschenbuch, eBook und Hörbuch
Preis: 9,99€
Seiten: 491
Meine Wertung: 4 Sterne
Der Klappentext
Eine geheimnisvolle Schneekugel. Das Erbe einer starken Frau. Eine Liebe, die sich nie erfüllt hat.
Berlin 1936. Die Sängerin Luzie Kühn steht ganz am Anfang ihrer Karriere und träumt von einem Leben im Rampenlicht. Doch als Jüdin fühlt sie sich nicht mehr sicher und verlässt Berlin in Richtung Wien. Sie verliebt sich in den charismatischen Bela Kròl und schwebt im siebten Himmel, doch schon bald wird klar, dass Luzie auch in Wien nicht sicher ist…
Berlin 2018. Paulina Wilke wird von ihrer mütterlichen Freundin Antonia gebeten, in Wien ein Erbstück für sie abzuholen. sie ahnt nicht, dass die Reise nach Wien ihr Leben verändern wird…
Der Inhalt
Wie für die Autorin Teresa Simon typisch, spielt Die Fliedertochter in zwei Zeitebenen. Diese werden ungleichmäßig auf drei weibliche Protagonisten verteilt. Die beiden wichtigsten stellen dabei natürlich die junge und lebensfrohe Luzie Kühn in der Zeit des Naziregimes sowie die ehr verschlossen wirkende Paulina Wilke dar. Eine kleinere Nebenrolle hat Paulinas Mutter Simone eingenommen, die mit ihrer Freundin eine Pilgerreise nach Italien unternimmt und sich derweil mit einem Geheimnis auseinandersetzt, dessen Schleier sie endlich gegenüber ihrer Tochter wird lüften müssen.
Simones Tochter Paulina, reist derweil kurzfristig für Antonia – kurz Toni, ihre „Oma im Geiste“ von Berlin nach Wien. Toni hat überraschend einen Anruf erhalten, dass in Wien ein Erbstück auf sie warte. Dieses Erbstück könne jedoch auf keinen Fall einfach per Post geschickt werden, es müsse persönlich überreicht werden. Da die quirlige Toni gesundheitlich aktuell nicht in der Lage ist, eine solche Reise anzutreten bittet sie Paulina stattdessen zu fahren und gibt ihr eine alte Schneekugel mit dem Wiener Riesenrad als Talisman mit.
In Wien erhält Paulina dann ein altes Tagebuch überreicht.
Das Tagebuch von Luzie Kühn.
Nachdem ihre Eltern bereits in ihrer Kindheit ums Leben kamen, wuchs die kleine Luzie bei ihren jüdischen Großeltern (mütterlicherseits) in Berlin auf. Offiziell adoptiert wurde Luzie aber bereits von ihrer christlichen Tante Marie (väterlicherseits), die mit ihrem Mann und Sohn in Berlin lebt.
Als sich 1936 die Lage in Berlin für die jüdische Bevölkerung langsam zuspitzt, zieht Luzie zu ihrer Tante nach Wien. Dort wird sie dem Freundes- und Bekanntenkreis der Familie als die lang verschollene Jugendsünde von Marie vorgestellt und lebt als deren – natürlich – christliche Tochter. Luzie möchte schnell wieder auf eigenen Beinen stehen und der Familie Matusek nicht auf der Tasche liegen, mit deren Beziehungen bekommt sie sogar zügig ein Engagement im Theater zur Wien.
Wo sie dem angestellten SA-Mann Wagner besonders auffällt. Mit Luzies Zurückweisung kann Wagner nur schwer umgehen, als er dann erfährt das sie ausgerechnet den Juden Bela Król ihm vorzieht, ist ihm jedes Mittel recht um Luzie das Leben zur Hölle zu machen.
Im Tagebuch erlebt der Leser, gemeinsam mit Paulina, Luzies Jahre von 1936 bis 1945 in Wien und erfährt dabei nicht nur einiges über die Zeit des dritten Reiches in Wien, sondern auch das ein oder andere im Krieg verlorene Geheimnis.
Meine Meinung zu Die Fliedertochter
Wie viele Stunden hat meine damalige Geschichtslehrerin damit zu gebracht, mir diese Zeit näher zu bringen? Ich kann es euch nicht sagen, aber es waren sehr viele. Von der eigenen Geschichte darüber, wie sie sich gefreut hat, als sie einen roten Apfel zum Geburtstag bekommen hat, weil die Zeiten in Deutschland so schwer waren, bis hin zum Besuch im Anne Frank Museum in Amsterdam. Es wurde nichts ausgelassen. Doch im Nachhinein, hat nichts bezüglich des Naziregimes mich so mitgenommen und berührt wie Die Fliedertochter. Teresa Simon hat mit ihrer Protagonistin Luzie diese Zeit, und ihre ganze Gewalt, für mich greifbar gemacht. Aus der lebensfrohen, quirligen Luzie wird ein echtes Steh-auf-Männchen das einige Schicksalsschläge überstehen muss.
Besonders hervor, sprangen dabei auch Kapitel über den Steinhof und den Spiegelgrund, welche mich mit zwei autistischen Kindern besonders treffen.
Zitate Seite 323 & 324:
Vor einem Jugendstilbau auf der Hälfte der Strecke blieb er stehen. „Die Leuchtstäbe, die hier in der Erde stecken, stehen für je einen Toten“, sagte er. „Nachts, wenn sie alle angeschaltet sind, kann es dir schon mal den Atem verschlagen. An die achthundert Kinder und Jugendliche haben sie am Spiegelgrund ermordet. Für die Nazis waren Behinderte und psychisch Kranke „wertloses“ Leben“, so zynisch haben sie es genannt. Hatte man Pech, konnta man auch schon darunterfallen, wenn man gehörlos war oder als schwer erziehbar galt.“
…
„Durchdacht war es sicherlich, ein Reformbau aus den Zwanzigerjahren, den die Nazis nach dem Anschluss für ihre furchtbaren Zwecke benutzt haben. Menschenversuche, Misshandlungen, Tötungen – in ihren Augen waren diese Kranken, wie gesagt, „wertloses Leben“ und sollten ab 1940 möglichst kostengünstig beseitigt werden. Tote Irre und Behinderte kosteten den Staat nichts mehr, so pervers dachten sie damals. An ihnen hat man übrigens erstmals den Einsatz von Gas als Methode der „Endlösung“ ausprobiert, was dann später bei der Vernichtung der Juden weiter perfektioniert wurde.“
Uff…
Was bin ich froh, Meine Jungs wären wohl ebenfalls unter diesen Kindern gewesen.
Aber warum, gebe ich dem Buch trotzdem „nur“ vier, statt der vollen fünf Sterne?
Nun zum einen, weil ich der Meinung bin, dass diese kleine Lovestory in Paulinas Part recht unnötig gewesen ist, in meinen Augen war sie viel mehr in Wien um durch Luzie zu sich selbst zu finden, als zu einer neuen Liebe. Als zweiten Punkt, war mir der ein oder andere Zufall, doch zu viel des lenkenden Zufalls.
Für den dritten Punkt, muss ich eine kleine SPOILER WARNUNG aussprechen.
Diesen also wirklich nur im SPOILER BEWUSSTSEIN lesen. Andernfalls bitte weiterscrollen und später verraten ob es auch aufgefallen ist:
Zitat Seite 345:
„… Pauli hat geschrieben, du seiest in Wien geboren. Wie kommt sie denn darauf?“
Toni blieb erstaunlich lange stumm.
„Bist du noch dran?“, fragte Simone.
„Ja, bin ich. Ich such nach den passenden Worten. Lass es mich so sagen: Manchmal wiederholt sich in Familien etwas in der nächsten oder übernächsten Generation. Etwas, das man eigentlich gar nicht für möglich halten würde…“
„Ich verstehe kein Wort, Toni. Bist du jetzt in Wien geboren – oder bist du es nicht?“
„Ja – und wiederum auch nein…“
Sorry, aber daraus geht doch eigentlich schon ziemlich genau hervor, das Toni, über ihre Herkunft bescheid weiß. Sie zieht selbst den direkten Vergleich zwischen den Generationen.
Auf Seite 455 aber ist sie plötzlich total überrascht, als Paulina ihr die Wahrheit über ihre Herkunft sagt und versucht ihr erst zu widersprechen. Das war für mich ein klassischer Erzählfehler und hätte, meiner Meinung nach auffallen müssen.
SPOILER ENDE
Dennoch möchte ich dem Buch Die Fliedertochter eine klare Leseempfehlung aussprechen. Denn trotz dem zeitlich gesehen düsteren Setting, ist es gleichzeitig eine absolute Liebeserklärung an die Stadt Wien. Selten habe ich so zauberhafte Beschreibungen dieser Stadt, dessen Kultur und Küche gelesen, wie hier. Und als I-Tüpfelchen hat die Autorin dann sogar noch ein paar Landestypische Rezepte zum nachkochen angehangen. Ich sag nur: Wiener Schnitzel mit Erdapfelsalat! Die kommen definitiv in der nächsten Woche mal auf den Essensplan <3
Schreibe einen Kommentar