Hallo meine Lieben,
die letzte Woche war es auf meinen Social Media Kanälen verhältnismäßig ruhig, was einfach daran lag, dass mir ziemlich viele andere Dinge im Kopf schwirrten, weshalb weder konzentriertes schreiben, noch lesen Möglich machten.
Ausschlaggebend dafür war die Tatsache das mir spontan die Augen geöffnet wurden.
Bislang war ich nämlich immer der Meinung, das Fünni, einfach nur langsamer in seiner Entwicklung sei, als andere Kinder.
„das verwächst sich schon noch… hoffentlich“
So haben wir die erste Zeit gedacht und versucht die Situation abzutun.
Fakt ist aber, das er nicht mehr einfach nur langsam ist, sondern tiefgreifend Entwicklungsverzögert. In wenigen Wochen wird er schon vier Jahre, ist aber Entwicklungstechnisch ehr mit einem 2 – Jährigen zu vergleichen.
Angefangen mit seiner sprachlichen Entwicklung, von der wir noch dachten, das er bestimmt in der KiTa anfangen würde zu sprechen, da dort ja sonst niemand wüsste was er von einem will. Das war leider falsch Gedacht. Mittlerweile haben wir viele Stunden Logopädie hinter uns, haben uns selbst die Münder fusslig gesprochen weil wir jeden Handgriff benennen und freuen uns über jedes noch so kleine Wörtchen das aus seinem Mund kommt.
Ja, ich hätte am liebsten geweint vor Freude als ich hörte das Fünni im Martinszug an meiner Hand anfing ein holpriges „Laterne, Laterne“ zu singen.
Aber all das ändert nichts daran, das er aktiv nur wenige Wörter spricht und diese meist nur als ein Flüstern über seine Lippen kommen.
Ihr könnt euch sicher Vorstellen, das daraus heraus im Alltag ziemlich viele Probleme entstehen können.
Das fängt damit an, dass er sich in frustrierte Wutanfälle steigert, einfach weil er nicht verstanden wird.
Vor wenigen Wochen gab es im Kiga eine Situation, in der die Erzieher mich anriefen, dass Fünni seit 1,5 Stunden weinen würde und sie ihn nicht beruhigt bekämen. Es kam natürlich als erstes die Frage auf ob er vielleicht krank würde.
Aber Nein, ich wusste sofort was los war. Ich musste ihm nämlich auf Wunsch der Erzieher morgens seine kleine lila Tasche mit seinen Bällen wegnehmen… diese Tasche ist derzeit sein großes Heiligtum. Gefüllt mit verschiedenen Flummibällen, einem Hubschrauber – den er sich nach dem letzten Krankenhausaufenthalt aussuchen durfte und ein paar alten nicht mehr abspielbaren CDs, muss diese Tasche einfach immer und überall dabei sein. Er muss sie nicht einmal die ganze Zeit festhalten, aber sie muss für ihn sichtbar im Raum sein, dann ist alles okay.
An diesem Morgen, nahm ich ihm also seine Tasche weg und er weinte bitterlich.
Nach dem Anruf, schnappte ich mir also den blinkenden Ball aus seiner Tasche und fuhr in die Kita. In dem Moment in dem Fünni seinen Ball sah, beruhigte er sich sofort und nahm in lächelnd entgegen. Alles war wieder gut, und seitdem hat er auch eine Erlaubnis für seine Tasche… diese wird dann einfach für ihn sichtbar auf den Schrank gestellt.
Von kleinen „Macken“ die zu Auffälligkeiten werden
Diese Situation zeigt gleich in zweierlei Hinsicht Auffälligkeiten. Zum einen das offentlichtliche Kommunikationsproblem auf Grund dessen das er sich sprachlich kaum Ausdrücken kann, zum anderen, zeigt es aber auch wie „besessen“ er von Gewissen Gegenständen und Ritualen ist.
Auf den ersten Blick betrachtet sind es einfach nur kleine „Macken“ die er an den Tag legt.
Zum Beispiel beim spielen mit Duplosteinen, dabei steckt er nur die kleinen Quadratischen Steine auf seine Bauplatte. Solange bis diese voll ist, dann ist er fertig. Er baut keine Häuser in die Höhe oder sonstiges, sondern er steckt seine Platte einfach nur voll. Dabei lässt er sich auch nicht austricksen in dem man heimlich einen länglichen Stein auf seine Platte steckt. Nein, dieser gemogelte Stein wird sofort entfernt und gegen einen kleinen quadratischen ausgetauscht.
„Nee, schrullige Macke eben..“
Auch ein prima Beispiel: Fünni liebt Brot, und er liebt die Fleischwurst der Theke, aber ein Fleischwurstbrot rührt er nicht an. Nudel, Reis, Pommes (aber alles bitte ohne Sauce) Brot, Fischstäbchen, Pizza und Äpfel, diese Sachen machen bereits einen Großteil seiner Nahrung aus. Es ist nicht so, dass ich ihm nichts anderes anbieten würde, er isst aber nichts anderes. Ich habe wahrscheinlich das einzige Kind weltweit, das keinen Kuchen, Schokolade nur in Smarties und keinen Pudding mag.
„Ja, noch eine schrullige Macke…“
Beispiel Nummer 3: Bevor Fünni ins Bett geht, muss er im Erdgeschoss alle elektischen Geräte ausmachen. Vom TV über die Playstation mit der wie Netflix gucken, bis hin zum Licht. Alles muss ausgeschaltet werden, nicht standby, sondern wirklich aus. Das gilt auch nicht nur fürs zu Bett gehen, sondern generell wenn er bestimmte Räume für längere Zeit verlässt… in der KiTa muss z.B. der CD Player ausgesteckt werden. Nicht einfach nur ausgeschaltet werden, sondern es muss tatsächlich der Stecker gezogen werden. Das gleiche gilt morgens beim aufstehen für sein Nachtlicht.
„Ja, auch das kann man für sich als schrullige Macke abstempeln…“
Aber irgendwann fängt man an, diese „Macken“ für sich zu addieren und stellt fest: das wohl doch mehr dahinter stecken könnte, als nur eine „Macke“.
Autismus oder bloß Trittbrettfahrer?
Nun, das Fünni Entwicklungsverzögert ist, war uns natürlich schon lange klar. Auch das er hier und da gewisse autistische Züge an den Tag legt. Aber da wir halt schon einen Autisten daheim haben, wussten wir halt nicht, in wie fern er vielleicht nur das Verhalten seines großen Bruders imitiert.
Mittlerweile, bin ich von diesem Gedanken jedoch weg, seine Verhaltensweisen sind auffällig, aber er ist eben immer noch ein komplett anderes Kind als sein Bruder und hat komplett andere Verhaltensweise, welche jedoch teilweise nicht weniger autistisch anmuten. Das ist das schwierige am Autismus… diese Behinderung ist so breit gefächert. Wenn man einen Autisten kennt, kennt man leider nur einen Autisten. Kein Autist ist extakt wie der andere in seinen Verhaltensweisen.
Da wir ja bereits einen Autisten im Haus haben, sind wir natürlich auch von Anfang an, viel Aufmerksamer gewesen in unseren Beobachtungen des Kleinen und wurden bereits letztes Jahr zum ersten mal in ein SPZ (sozial pädiatrisches Zentrum) zur Diagnostik seiner Entwicklungsverzögerung überwiesen. Da man dort aber leider nicht zu Fünni durchdringt und er sich nicht so auf die Tests einlässt wie es notwendig wäre um eine klare Diagnose zu bekommen, wurden wir nun zu einem Spezialisten für frühkindlichen Autismus nach Bonn überwiesen.
Ihr könnt euch nun sicher vorstellen, was die letzte Woche sich in meinem Kopf alles abgespielt hat… aber glücklicherweise, kann ich von mir behaupten, das ich ja schon meine Erfahrungen mit dem Thema und dem Ablauf habe. Ich weiß, heute, dass die Welt davon nicht untergehen wird und das Fünni dennoch eine glückliche Zukunft bevorstehen kann. Das immerhin zeigt mir der Große trotz Autismus jeden Tag. Ihm hat die Frühförderung soooooo gut getan und tut es noch. Diesmal habe ich bereits die Erfahrung das ich weiß, wohin ich mich wenden kann um nötige Fördermaßnahmen zu beantragen.
„Geduld ist eine Tugend“… die mir fehlt…
Das Einzige, was diesmal genauso zermürbend ist, wie bereits vor fünf Jahren beim Großen, ist das Warten. Es vergehen Wochen und Monate in denen man darauf wartet überhaupt einen Termin zu bekommen. Wir haben z.B. letzte Woche den Anmeldebogen in die Klinik gefaxt und bekamen am Tag darauf als Antwort:
Wir bestätigen Ihnen den Eingang und die damit erfolgte Anmeldung. Den Termin für die ausführliche Erstuntersuchung werden wir Ihnen rechtzeitig 4-6 Wochen im Voraus mitteilen. Allerdings müssen Sie wegen unserer leider unvermeidlichen Wartezeiten bis dahin um etwas Geduld bitten.
Und, das ist jetzt nicht etwa der Fall, weil wir zu einem Spezialisten geschickt werden. Nein, das ist leider der Standart in allen SPZ Kliniken die ich bislang besucht habe und das ist nun die dritte.
Die Behinderung oder die Aussicht darauf ein zweites behindertes Kind zu haben, lässt für mich nicht die Welt untergehen… das sehe ich ziemlich entspannt, immerhin habe ich schon eines und weiß was auf mich zu kommt. Aber zermürbend sind diese ewigen Wartezeiten immer. Vor, während und nach den Diagnosen, es vergehen ganze Monate in denen man im Ungewissen verweilt. Beim Großen haben wir damals ganze 2 Jahre gebraucht von dem ersten Verdacht der Kinderärztin bis hin zur Diagnose schwarz auf weiß.
So ihr lieben, ich gebe zu, es ist wieder ein ganz schön langer Text geworden. Tut mir leid!
Dennoch nehme ich mir vor, euch diesmal direkt daran teilhaben zu lassen, in der Hoffnung das vielleicht die ein oder andere ebenfalls betroffenen Eltern sehen, dass sie mit ihren Sorgen und Wartezeiten nicht alleine sind.
Ich hoffe ihr habt dennoch einen wunderschönen und sonnigen Frühlingstag <3
Wow das nenne ich mal anstrengend und viel action.
Ich wünsche dir viel kraft und Ausdauer und nebenbei noch viel Spaß mit deinen kids. Auch wenn autistische kinder sicher viel anstrengender sein können als andere. Sicher aber viel Freude machen!
Also zehn Daumen hoch für dich und viel kraft
Vielen Dank 🙂
Ja, sie sind manchmal anstrengend und das ständige Hin und hergurken zu Therapien und Verlaufskontrollen kann nerven, aber hergeben wöllte ich keinen der beiden. Egal ob Autist oder nicht <3
Liebe Grüße,
Beate
Schön wie offen und ehrlich du damit umgehst. Mein Sohn hat Asperger. .ist zwar *nur* eine Unterform des Autismus, aber auch ich bin mit meinem Sohn damals von a nach b bis wir herausgefunden haben was er hat.
Und genau wie beim Autismus ist jeder Aspi anders. Bei meiner grossen wurde es damals sehr sehr spät Diagnostiziert…da hatten wir vom Junior die Diagnose schon. . Beide auch total unterschiedlich.
Ich wünsche dir / euch ganz viel Kraft.
Lg
Tanja
Huhu,
der Große ist ein High-functioning-Autist, also quasi eine Abspaltung des Aspergers… aber generell sind die Autisten ja sehr breit gefächert in ihren „Kategorien“. Was beim kleinen nun raus kommt… warten wir mal ab und lassen uns einfach überraschen.
Vielen Dank für deine lieben Worte,
Beate
Hallo, liebe Beate,
ich bin eben zum ersten Mal auf Deinen Blog gestoßen und möchte Dir gern einen lieben Gruß hier lassen. Ich bin selbst Mama eines 16jährigen frühkindlichen Autisten.
Alles alles Liebe für Euch und eine Diagnostik mit hoffentlich nicht allzu langen Wartzeiten.
Silke
Ich bin sehr froh, wenn endlich die Unterteilung von Kanner (frühkindl. Autismus), Asperger und atypischer Autist fällt und es nur noch AutismusSpektrumStörung heißt.
Denn es ist einfach Autismus.
Als Mutter von vier autistischen Kindern, weiß ich, dass der Alltag anstrengend ist. Vor allem für die Kinder (und nein ich möchte die Leistung von uns Eltern nicht schmälern !)
Ich hoffe sehr, dass Ihr bald eine schlüssige Diagnose habt.
Und dass Ihr dann die Hilfen bekommt, die wirklich benötigt sind. Und dass Verstehen der Umwelt dazu beiträgt, dass die Kinder sich ohne Vorurteile entwickeln können.
LG Anita
Hallo,
Ich stiess über FB auf diesen Blog, nicht auf der Suche nach irgendwas…
Ich habe es aufgegeben zu suchen, denn wir hängen in der Grauzone der authistischen Spektrumsstörung… Wie sind denn Diagnosemarathon 2012/2013 gegangen und stehen vor off3nen Fragen, die niemand beantworten kann…
Es gibt auch Kinder, die bekommen nie diese Diagnose, weil relevante Details nicht der klinischen Form entsprechen und/oder schlicht nicht vorhanden sind.
Und für diese Kinder gibt es keine geeigneten Therapien oder Hilfen…
Unsere Tochter ist heute 9, für aussen stehende ein völlig normales Kind.
Sie hat eher früh begonnen zu sprechen, konnte viele Dinge fast schon zu zeitig….
Sie besucht eine regelgrundschule.
Aber sie ist auffällig. Es muss immer alles gleich oder zumindest lang genug vorhersehbar passieren, es muss alles genau erklärt werden. Sie muss immer den Schlüssel mitnehmen , obwohl ich zu hause bin….
Teilweise wirklich sehr anstrengend, aber auch für uns fordernd/herausfordernd.
Die Sozialkompetenzen haben sich stetig deutlich verbessert. Aber es spielt sich alles, absolut alles in einem Uhr bekannten Rahmen ab.
Hilfe für uns Eltern? Für die Geschwister? Leider Fehlanzeige.
Uns kam nur zugute, dass ich selbst mit einem besonderen Schwesterherz gesegnet bin, dass unter Anderem Authismus zur Diagnose hat….
Ich wünsche euch weiterhin alles Gute und starke Nerven bezüglich der Rennerei ….
Hallo Leona,
erstmal vielen Dank für deine Offenheit.
Es ist interessant zu sehen wie unterschiedlich die Erfahrungen sein können. Gestern erst habe ich auf Facebook mit einer Dame geschrieben, die sich gewünscht hat, das die ganzen Unterteilungen abgeschafft würden und man einfach generell nur noch von einer „Autismus Spektrums Störung“ (ASS) sprechen würde. Das würde das ein oder andere vielleicht sogar einfacher machen, es würde nicht mehr vom Namen Abhängig sein, welche Hilfe man in Sachen Förderungen so erwarten kann, sondern dann eben individuell aufs Kind abgestimmt werden können.
Der Große hatte in seiner Kindergartenzeit auch enorme Probleme mit Situationswechsel allgemein.
Das fing schon an, wenn wir nur einen anderen Weg zum Kindergarten gingen als gewohnt. Da bin ich einmal vor lauter Verzweiflung um eine Absperrung herum gefahren nur um ihm zu zeigen das 50m Weiter die Straße aufgerissen wurde und wir wirklich nicht da durch fahren können. Er ist auf der Rückbank damals total ausgeflippt. So lief das grundsätzlich.
Er durch seine Autismusspezifische Frühförderung beim ATZ jetzt hat er gelernt auch mit solchen Ausnahmesituationen umzugehen und sich selbst mit Hilfe des „TEEACH“ Ansatzes besser zu Strukturieren. Er kann sich selbst natürlich inzwischen auch besser Mitteilen und uns Eltern sagen, was sein aktuelles Problem ist. Zum Beispiel möchte er momentan nicht mehr mit Einkaufen gehen „Da sind mir zu viele Leute“ sagt er. Gut, damit kann ich arbeiten 🙂 Wir haben Regeln aufgestellt, ihm gezeigt wie er uns im Zweifelsfall erreichen kann und darf nun solange Zuhause spielen während wir einkaufen.
Ich kann in Sachen Hilfe für Eltern und Geschwister nur das nächst gelegene ATZ empfehlen, oder eben Selbsthilfe Gruppen auf Facebook und Co. Dort habe ich bislang immer gute Erfahrungen gesammelt wenn ich Fragen hatte oder einfach mal den Frust loswerden wollte.
Liebe Grüße,
Beate
Mit dieser Anfangsdiagnose könnt ihr jetzt dann sicher noch besser mit eurem Fünni umgehen. Denn auch wenn es bis zum schwarz auf weiß noch dauert, ihr für Euch wisst jetzt eher mit seinen „Macken“ umzugehen.
Wünsche Euch viel Kraft für das viele warten und eine tolle Zeit mit Euren 2 besonderen Kindern.
Lg Yvonne von Yvonne’s Haus